Die Macht der Gewohnheit – Die Eisbären-Story

  |  Metaphern   |  Die Macht der Gewohnheit – Die Eisbären-Story

Die Macht der Gewohnheit – Die Eisbären-Story

Es war einmal ein Zoo. Alle Tiere waren in engen Käfigen eingesperrt. Nur wenige Quadratmeter zum Hin- und Herlaufen. Tiere im Schaukasten. Ein alter Zoo – wie im letzten Jahrhundert. Eines Tages übernahm ein neuer, junger Zoodirektor die Leitung des Zoos. Er war voll des guten Willens und voller Bewunderung für alle Tiere. Bereits am ersten Tag, bei einem Rundgang durch seinen Zoo, sah er den Eisbären in seinem kleinen Käfig, 5 mal 4 Meter. Ein großer, kräftiger Eisbär. Offensichtlich noch mit ungebrochener Lebenskraft. Auf und ab. Hin 5 Meter. Wendung. Zurück 5 Meter. Auf und ab. In rhythmischer Gleichmäßigkeit. Bei jeder Wendung ein dröhnendes Grollen. Furchterregend schön.

Doch der Zoodirektor hatte Mitleid mit diesem stolzen Tier. Diese prächtige Vitalität, eingesperrt auf 20 Quadratmeter.  Also beschloss er, ein großes Freigehege bauen zu lassen. Mit Felsen zum Klettern und Sonnen und mit Wassergräben zum Schwimmen und Tollen. Das Geld war nach anfänglichen Schwierigkeiten bald aufgebracht. Die Bauarbeiten konnten beginnen. Der Zoodirektor fieberte mit wachsender Spannung auf den Tag, an dem der Eisbär aus seinem engen Verlies in das große Freigehege springen würde. Ihm schien es auch, dass der Eisbär von Zeit zu Zeit neugierig dem Schaffen und Treiben der Bauarbeiter von seinem Käfig aus zuschaute. Dann kam endlich der monatelang und heiß ersehnte Tag. Viele, alle waren eingeladen beim großen Ereignis dabei zu sein.

Die lokalen Politiker aller Parteien ließen es sich nicht nehmen, die Wichtigkeit des Ereignisses durch ihre Anwesenheit zu unterstreichen. Ebenso die Bischöfe beider großen Konfessionen. Die Journalisten der Lokalblätter und sogar zweier überregionaler Blätter warteten mit ihren Fotografen auf sensationelle Bilder. Zoodirektor, Bürgermeister und Bischöfe hielten ihre kurzen, aber besinnlich, schönen Reden. Dachten doch auch alle an die neue Attraktion der Stadt, die sicherlich viele Touristen anlocken würde – und damit auch Geld. Dann, endlich, kam der große Augenblick.  Der Tierarzt des Zoos nahm ein Gewehr und Schoß dem Eisbären eine Ampulle mit Betäubungsmittel in den Pelz. Nach einer halben Minute schlief der Eisbär fest. Die Bauarbeiter hatten genügend Zeit, die Gitterstäbe des alten Käfigs auszubauen und wegzutragen.

Der Eisbär lag im Freien. Alle warteten nun darauf, dass der Bär aufwacht, aufspringt und in das Gelände läuft, um es in Besitz zu nehmen. Der Bär wacht auf. Reckt sich. Schreit dröhnend, sodass jedermann erschrickt und das animalische Verhalten bewundert. Jetzt, jetzt muss er doch endlich los laufen! Alle halten gespannt ihre Hände zum Klatschen und ihre Münder zum Jubeln und Aufschreien bereit. Doch – der Bär steht auf und nimmt seinen Trott wieder auf: 5 mal 4 Meter. Hin 5 Meter. Wendung. Zurück 5 Meter. Auf und ab. In rhythmischer Gleichmäßigkeit. Bei jeder Wendung ein dröhnendes Grollen. Furcht erregend schön.

Translate »